Kann ein Baubesprechungsprotokoll den Vertrag ändern? – Ja!
Dieser Fachbeitrag dient dazu, auf den sehr sorgfältigen Umgang mit Baubesprechungsprotokollen hinzuweisen. Baubesprechungsprotokolle sind als Vertragsunterlagen zu behandeln und dürfen nicht einfach nur abgeheftet werden, sondern sind unbedingt zu lesen und notfalls zu widersprechen. Die Tendenz der Rechtsprechung geht eindeutig in diese Richtung.
Inhalte eines protokollierten Jour Fixe sind bindend
Zunächst soll das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 18.09.2012 dargestellt werden, was der BGH aufgrund der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 11.10.2013 bestätigt hat.
Die Parteien streiten um restlichen Werklohn aus einem, aus wichtigem Grund gekündigten Werkvertrag über Natursteinarbeiten. Der Auftragnehmer bestreitet die Berechtigung der durch den Auftraggeber ausgesprochenen Kündigung und verlangt restlichen Werklohn wegen freier Kündigung für den nicht erbrachten Teil der zwischen den Parteien vertraglich vereinbarten Leistungen.
Der Auftragnehmer unterliegt in dem Prozess. Das Kammergericht stellt fest, dass der Auftraggeber zu Recht den Bauvertrag gekündigt hat, da sich der Auftragnehmer mit der Werk- und Montageplanung in Verzug befand. Laut Protokoll der Baubesprechung verpflichtete sich der Auftragnehmer zur Übergabe der vollständigen Werk- und Montageplanung für die Natursteinarbeiten bis zum 07.12.2009.
Der Auftragnehmer hat sich damit verteidigt, dass er einen solchen verbindlichen Termin nicht erklärt hat und lediglich mitteilen wollte, dass er seinem Nachunternehmer eine solche Frist gesetzt hat. Diese Einlassung hält das Kammergericht für unerheblich.
Schweigen gilt als Zustimmung –
Unverzüglicher Widerspruch unabdingbar !
Die Begründung des Kammergerichts ist wichtig und sollte von allen Auftragnehmern als Grundsatz berücksichtigt werden: Erhält der Auftragnehmer zeitnah zu einer Baubesprechung das darüber erstellte Baubesprechungsprotokoll und ist aus diesem eine Abänderung des Vertrages zu erkennen, ist er in gleicher Weise verpflichtet, den Änderungen zu widersprechen, wie er es wäre, wenn er nach einer Vertragsverhandlung ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben über das Ergebnis der Vertragsverhandlung erhalten hätte.
Er muss dem Inhalt des Baubesprechungsprotokolls nach den zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben entwickelten Grundsätzen unverzüglich widersprechen, um zu verhindern, dass sein Schweigen wie eine nachträgliche Genehmigung behandelt wird und der Inhalt des Baubesprechungsprotokolls mit diesem Inhalt zustande kommt. Grundsätzlich hat ein Schweigen keine rechtliche Auswirkung, jedoch liegt hier eine Ausnahme vor.
Denn das Baubesprechungsprotokoll wird gerade zu dem Zweck erstellt, die Vertragsverhandlung und deren Ergebnis zu bestätigen und schriftlich zu dokumentieren. Mit unverzüglich ist gemeint, dass man sich keine Zeit lassen darf, sondern nach Zugang des Protokolls muss der Auftragnehmer dieses Baubesprechungsprotokoll sofort nach Eingang sichten und innerhalb von zwei bis drei Werktagen nach Zugang beweisbar widersprechen.
Mithin war in diesem Fall, da kein Widerspruch gegen das Baubesprechungsprotokoll durch die Auftragnehmerseite erfolgt ist, der Auftragnehmer an die Vertragsfrist zum 07.12.2009 gebunden.
Somit hat der Auftragnehmer eine Prüfungspflicht hinsichtlich der Richtigkeit des Inhalts des Baubesprechungsprotokolls und hat im Falle des fehlenden Einverständnisses auch die Pflicht, dem Inhalt des Baubesprechungsprotokolls zu widersprechen. Ansonsten ergibt sich daraus die Rechtsfolge, dass die getroffenen Vereinbarungen als genehmigt gelten.
Rechtssicherheit bei häufigen Vertragsanpassungen
Das Kammergericht begründet dies damit, dass diese Prüfungspflicht den Auftragnehmer einerseits nicht überfordert und andererseits diese Prüfungspflicht den besonderen Anforderungen an ein redliches Verhalten bei der Abwicklung eines Bauvertrages entspricht, da die Abwicklung solcher Verträge häufig durch Änderungen gekennzeichnet sind, die sich aus ständig neu auftauchenden technischen oder rechtlichen Problemen ergeben können.
Solche Änderungen erfolgen in Verhandlungen, Baubesprechungen oder anderen Sitzungen (Jour Fixe), die dem Zweck dienen, den Vertrag an die veränderten Umstände anzupassen.
Kaufmännisches Bestätigungsschreiben als Maßstab
In der Baupraxis ist es üblich, dass über diese Verhandlungen Baubesprechungsprotokolle erstellt und an die Parteien verschickt werden. In das gleiche Horn stößt auch das BGH-Urteil vom 27.01.2011, in dem der Bundesgerichtshof das Baubesprechungsprotokoll mit Erklärungen zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben gleichstellt.
Dieser Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass es nach Erteilung des Auftrags zwischen dem Auftraggeber und Auftragnehmer zur Vertragsverhandlung gekommen ist und der Auftragnehmer seinen Bauleiter zu den Besprechungen geschickt hat.
In diesen Besprechungen kam es zu einer Bauvertragsänderung. Der Auftraggeber übermittelt daraufhin das Verhandlungsprotokoll mit dem Verhandlungsergebnis an den Auftragnehmer. Dieser widerspricht dem Verhandlungsprotokoll nicht.
Natürlich verlangt der Auftraggeber die Einhaltung dieser im Baubesprechungsprotokoll festgehaltenen Absprachen. Auch hier hat der Bundesgerichtshof ganz deutlich erklärt, dass sich der Auftragnehmer an dem Inhalt des Protokolls festhalten lassen muss und in der gleichen Weise wie nach Erhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens verpflichtet ist, den in dem Protokoll dokumentierten Vertragsänderungen unverzüglich zu widersprechen.
Anderenfalls wird sein Schweigen trotz der Übersendung des vollmachtlosen Vertreters als nachträgliche konkludente Genehmigung behandelt und die Erklärung erlangt ungeachtet einer fehlenden Vertretungsmacht des Mitarbeiters des Auftragnehmers für ihn und gegen ihn Wirksamkeit.
Durch zusätzliche Vereinbarungen wird der bestehende Vertrag abgeändert
Mithin kommt die Vereinbarung dann mit dem protokollierten Inhalt zustande. Die bereits bestehenden Vertragsgrundlagen werden dann nach dem Inhalt des Baubesprechungsprotokolls abgeändert.
Deshalb ist wiederum durch den Auftragnehmer absolute Vorsicht geboten. Das Pendel kann aber auch gegen den Auftraggeber ausschlagen, wenn der Auftraggeber der Vergabe von Zusatzleistungen seines Bauleiters, welche im Baustellenprotokoll aufgenommen sind und die durch den Auftraggeber nicht widersprochen wurden, entgegennimmt.
In dem Fall hat das OLG Hamm mit Urteil vom 22.02.2010 entschieden, dass der Auftraggeber diese Leistungen zu zahlen hat.
Hier ging es um die Lieferung einer zusätzlichen Wärmedämmung zu einem Einheitspreis von 470 Euro/qm. Es wurde in dem Baustellenprotokoll festgelegt, dass der Auftragnehmer dieses Material liefert und einbaut und welcher Preis hierfür zugrunde gelegt wird. Der Auftraggeber wurde durch die Übersendung dieses Protokolls von der auf der Baustelle getroffenen Vereinbarung in Kenntnis gesetzt, jedoch hat er dem Protokoll nicht widersprochen, sondern diese Leistung des Auftragnehmers entgegengenommen.
In der widerspruchslosen Entgegennahme der Vertragsleistung kann eine stillschweigende Annahme des Antrags auf Abschluss eines Vertrages über diese Leistung gesehen werden, wenn das Angebot bekannt war und der Auftragnehmer nach der Verkehrssitte und Treu und Glauben das Verhalten des Auftraggebers so verstehen kann, dass er den Vertrag auf der Grundlage des Angebots schließen will.
Tipp: Deshalb bietet sich für den Auftragnehmer an, nicht nur in dem Baubesprechungsprotokoll die Leistung zu beschreiben, die zusätzlich geliefert werden soll, sondern auch zusätzlich sofort den für die Leistung erforderlichen Preis zu benennen und in das Baustellenprotokoll aufnehmen zu lassen. Nur in diesem Fall ist bei fehlendem Widerspruch des Auftraggebers auch sofort der Preis der zusätzlichen Leistung bestimmt und damit ein Vertragsschluss gegeben.
Stand: 24.09.2020